Jonas Wachter (ehem. 10A) und Naima Bannert (ehem. 10D) begleiten ihren PuZ-Wahlfachlehrer Thomas Hauptmann zur Jubiläumsveranstaltung der Koerber-Stiftung und des Bundespräsidenten nach Berlin. Und das sollte nicht die letzte Überraschung sein.
Kronach/ Berlin – Die Berliner Morgensonne lässt den goldgeprägten Bundesadler auf dem Einladungsschreiben blitzen. In der Warteschlange vor dem Haupttor des Bundespräsidialamtes geht es ausgesprochen freundlich und gesittet zu. Jeder in der Reihe nimmt die Kontrolle durch die Beamtinnen und Beamten gelassen hin, denn mehr und mehr steigt die Aufregung. Auch Jonas Wachter (ehem. 10A) und Naima Bannert (ehem. 10D) stehen mit ihrem Wahlfachlehrer des Faches Politik und Zeitgeschichte, StR RS Thomas Hauptmann, in der Reihe der Wartenden und können es eigentlich immer noch nicht glauben. Sie sind tatsächlich hier und werden in wenigen Augenblicken den Garten von Schloss Bellevue betreten, wo sie neben 200 anderen geladenen Gästen das Jubiläum zu 50 Jahren Geschichtswettbewerb gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier feiern werden.
Wie hat das alles angefangen?
Alles hatte mit einer E-Mail im Dezember 2022 begonnen. Unter dem Betreff „Save the Date: Festveranstaltung zum 50. Jubiläum des Geschichtswettbewerbs“ teilte ein Mitarbeiter der Koerber-Stiftung, Herr Andreas Winter, dem ziemlich überraschten Wahlfachlehrer Folgendes mit: „Lieber Herr Hauptmann, seit seiner Gründung 1973 durch den Bundespräsidenten Gustav Heinemann und unseren Stifter Kurt A. Koerber ist der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten zum größten historischen Forschungswettbewerb in Deutschland avanciert. Mehr als 150.700 Kinder und Jugendliche sind in den vergangenen 50 Jahren in der eigenen Lokal- oder Familiengeschichte auf Spurensuche gegangen, haben mit Zeitzeug:innen gesprochen, in Archiven geforscht und sind so den historischen Zusammenhängen `vor Ort` auf den Grund gegangen. Im Wettbewerbsjahr nahmen Sie als Tutor erfolgreich mit dem Beitrag `Die German Youth Activity und die Seifenkistenrennen am Friedrichsburger Berg` teil. Anlässlich des 50. Jubiläums laden wir Sie und zwei Schüler:innen Ihrer Beitragsgruppe am 4. Mai 2023 um 11:00 Uhr zur Festveranstaltung im Garten von Schloss Bellevue ein.“
Eine knapp zehnköpfige Schülergruppe passiert die erste Einlasskontrolle und begibt sich ins Gebäude, wo wie am Flughafen ein weiterer Sicherheitscheck erfolgt. Jonas Wachter, Naima Bannert und Thomas Hauptmann von der Siegmund-Loewe-Schule sind als Nächstes an der Reihe, bevor sie den inneren Bereich des Bundespräsidialamtes und des Schlosses Bellevue betreten. Eine Mitarbeiterin der Koerber-Stiftung erwartet die Ankommenden bereits. Sie nimmt nicht nur überflüssige Garderobe wie Mäntel und Taschen entgegen, sondern sie verteilt eine kleine Aufgabe: Auf vorbereiteten Zetteln sollen die Gäste u.a. ein ihnen geläufiges Zitat einer historischen und/ oder aktuell bekannten Persönlichkeit notieren und in einen vorbereitenden Beutel stecken. Dieser wird später dem Improvisationstheater „hidden shakespeare“ als Ideengeber dienen.
Die Kronacher Wahlfachgruppe macht sich dann in Richtung Garten des Schlosses auf, allerdings nicht ohne einen Abstecher unmittelbar zum eigentlichen Schloss Bellevue. Ein kurzer Blickkontakt und eine Geste genügen und der wachhabende Beamte signalisiert, dass man den Bereich betreten dürfe. Während draußen auf der Straße die Touristen ihre Smartphones für Selfies und Schnappschüsse zücken, ist es ein merkwürdiges Gefühl, dass man hier und heute in einem Bereich steht, der dem normalen Besucher der Bundeshauptstadt verwehrt bleibt. Der diensthabende, in diesem Bereich patrouillierende Beamte lässt sich gerne in ein freundliches Gespräch verwickeln und gibt den interessierten Kronachern Einblicke in seine Tätigkeit in und um das Schloss Bellevue.
Die Drei genießen jeden Augenblick an diesem herrlichen Maitag in Berlin, der noch viele großartige Momente für sie bereithalten sollte. Als sie im vergangenen Schuljahr an ihrem Wettbewerbsbeitrag unter erschwerten Bedingungen in Folge der Pandemie gearbeitet hatten, war ihnen allen nie in den Sinn gekommen, dass sie binnen kürzester Zeit eine derartige Wertschätzung ihrer Arbeit erfahren würden. Doch wie kam es dazu?
Was ist eigentlich das Wahlfach PuZ?
Das Wahlfach Politik und Zeitgeschichte gibt es an der Siegmund-Loewe-Schule in Kronach seit 2014. Interessierte Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe können sich daran beteiligen, wenn einmal in der Woche für 45 bzw. in den Zeiten intensiver Arbeitsphasen 90 Minuten selbst gewählte, aktuelle oder historische Themen aus den Bereichen Politik und Zeitgeschichte behandelt werden. Mit der Entstehung des Wahlfachs geht auch die Teilnahme am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einher, da dieser von der Koerber-Stiftung betreute Wettbewerb aufgrund der Art seiner Themenstellung die Möglichkeit offeriert, Historisches mit der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu verbinden.
Die Wahlfachgruppe der Siegmund-Loewe-Schule hat daher schon Beiträge zu Oberthemen wie „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“, „So geht’s nicht weiter. Krise, Umbruch, Aufbruch“, „Gott und die Welt – Religion macht Geschichte“, „Bewegte Zeiten – Sport macht Gesellschaft“ oder eben aktuell „Mehr als ein Dach über dem Kopf – Wohnen hat Geschichte“ eingereicht. Dabei erreichte man bisher neben Förderpreisen vor allem einen der Landessiegerplätze in Bayern und kam einmal als einer von vielen Drittplatzierten unter die besten 50 Arbeiten in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.
Was erwartet die kleine Kronacher Delegation?
Jonas Wachter, Naima Bannert und Thomas Hauptmann verabschieden sich von dem Beamten und begeben sich durch ein kleines, eher unscheinbar wirkendes Tor in den Garten von Schloss Bellevue. Livrierte Kellnerinnen und Kellner laufen zwischen den weißen Bistrotischen hin und her und reichen Getränke. Mehrere Pavillons dienen links und rechts auf der großen Wiese als Ausstellungsfläche für einen Rückblick auf 50 Jahre Geschichtswettbewerb. Zur großen Überraschung der Kronacher meinen sie, viele der Gesichter hier zu kennen. Im Laufe der Veranstaltung sollte sich dann zeigen, dass die Koerber Stiftung nahezu alle Gäste, aber auch Fotografen und das Team des Improvisationstheaters im nahegelegenen Motel One Berlin Bellevue untergebracht hatte, sodass es hier im Garten zu einer Art Wiedersehen kommt.
Etwas weiter hinten steht ein großes Zelt mit einer vorbereiteten Bühne und einer weißen Bestuhlung für die 200 geladenen Gäste. Neugierig wird dies alles inspiziert und Jonas Wachter schlägt vor: „Herr Hauptmann, wir sollten uns zeitig Plätze sichern, damit wir nahe genug am Bundespräsidenten dransitzen.“ Gesagt – getan. Und so kommt es, dass die Drei lediglich eine Reihe schräg hinter Frank-Walter Steinmeier Plätze ergattern und vor Beginn der Festveranstaltung mit dem Social-Media-Beauftragten des Bundespräsidenten, der neben ihnen sitzt, ins Gespräch kommen. Lachend gibt dieser zu, dass seine Tochter sich immer wieder wundern würde, dass er Geld mit der Betreuung eines Instagram-Accounts verdienen würde.
Pünktlich beginnt die Festveranstaltung, als der Bundespräsident mit seiner Frau, Elke Büdenbender, den Garten betritt und in das nach allen Seiten offene Festzelt kommt. Die Gäste erheben sich und warten, bis die Eheleute nach einem kurzen Shakehands mit dem Vorstand der Koerber-Stiftung, Dr. Thomas Paulsen, in der ersten Reihe ihre Plätze eingenommen haben.
Was hat das Festprogramm zu bieten?
Eingerahmt von wunderbaren, das Zwerchfell erschütternden Beiträgen des Improvisationstheaters „hidden shakespeare“ würdigen sowohl Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als auch Dr. Thomas Paulsen die Bedeutung des Geschichtswettbewerbs für die Geschichtsvermittlung einerseits, für die Demokratiebildung andererseits. Während der Bundespräsident ausdrücklich betont, dass er diesen gerne zusammen mit seinem Amt als Aufgabe übernommen habe, stellt der Vorstand der Koerber-Stiftung augenzwinkernd die Frage nach der Gestaltung einer solchen Festveranstaltung zu 100 Jahren Geschichtswettbewerb. Als Eingabe und Aufgabe für eine KI verwundert es nicht, dass diese den Garten des Schlosses Bellevue mit einer Raumstation vertauscht und die Gäste und Festredner eher holografisch daran teilnehmen lässt. Dr. Paulsen macht deutlich, dass ihm hier und heute und sicherlich auch in Zukunft die Begegnungen mit einem realen Staatsoberhaupt, aber auch mit all den geladenen Gästen lieber sei als irgendwelche Holodeck-Szenarien, zumal der Geschichtswettbewerb bisweilen ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben der Teilnehmenden haben kann.
Dieser wichtigen Frage geht die Fernsehmoderatorin Salwa Houmsi mit ehemaligen Preisträgern aus den Jahren 1983, 1995, 2009 und 2015 während einer anschließenden Podiumsdiskussion nach. Es ist mehr als interessant zu hören, wie sich die Beschäftigung mit historischen Themen allein schon durch die veränderten technischen Möglichkeiten entwickelt hat.
Trotz des mehr als würdig zu nennenden Rahmens versprüht die gesamte Festveranstaltung eine ausgesprochen zwanglose und bisweilen heitere Atmosphäre, sodass es nach dem Ende des eigentlichen Festaktes überhaupt nicht verwundert, dass im Garten von Schloss Bellevue Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den vergangenen 50 Jahren problemlos miteinander ins Gespräch kommen, während um sie herum die Servicekräfte das Flying Buffett anbieten.
Dicht umlagert ist selbstverständlich der Bundespräsident, der sich von einem Pavillon zum nächsten begibt, um mit den dort auf ich wartenden ehemaligen Beitragsbetreuern ins Gespräch zu kommen.
Natürlich gehen auch Jonas Wachter, Naima Bannert und Thomas Hauptmann auf die Jagd nach ihrem Gruppenbild, denn immerhin müssen sie zügig nach dem Ende der Festveranstaltung ihren Zug nach Hause erwischen. Doch dies gestaltet sich mehr als schwierig, da die Menschen den Bundespräsidenten umlagern. Als ein jüngerer Schüler vor den drei Kronachern dem Staatsoberhaupt sein Einladungsschreiben für ein Autogramm reicht, schlägt die Stunde für die wahlfachgruppe Politik und Zeitgeschichte der Siegmund-Loewe-Schule. Während sich Frank-Walter Steinmeier nach einer Auflagefläche umsieht, auf der er ordentlich schreiben kann, tritt Wahlfachlehrer Thomas Hauptmann an ihn heran und bietet ihm mit den Worten „Man muss Gott für alles danken, auch für einen Oberfranken!“ seinen Rücken als Tischersatz an. Die Stimmung ist sofort gelöst, es wird viel gelacht und man kommt augenblicklich ins Gespräch. Ein ehemaliger Teilnehmer des Wettbewerbs biete sich dann noch als Fotograf für die Gruppe an und so kommt am Ende einer großartigen Veranstaltung die kleine Gruppe aus Kronach zu ihrem Gruppenbild mit dem Bundespräsidenten und seiner Frau im Garten von Schloss Bellevue.
Wie geht es jetzt weiter?
Während dieses einmalige Erlebnis noch immer in den Köpfen herumschwirrt, erreichte Ende Mai den Wahlfachlehrer folgende E-Mail der Koerber-Stiftung: „Wir melden uns heute mit der erfreulichen Nachricht, dass ein von ihnen betreuter Beitrag mit einem landessieg ausgezeichnet worden ist. (…) Für die Landessiegerinnen und -sieger ist der Wettbewerb an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Sie haben die Chance, auf Bundesebene mit einem von 50 Bundespreisen ausgezeichnet zu werden. Die Ergebnisse der Bundesjury werden zur Verleihung der ersten fünf Bundespreise durch den Bundespräsidenten am 14. November 2023 in Berlin bekannt gegeben.“ Natürlich muss man angesichts von 1651 eingereichten Beiträgen und einem Teilnehmerfeld von 5640 Kindern und Jugendlichen realistisch einschätzen, wie groß die Chancen sind, zu den besten fünf Arbeiten im laufenden Wettbewerb zu gehören – aber wer hätte im Traum daran gedacht, dass die Wahlfachgruppe zum Gartenfest des Bundespräsidenten eingeladen wird!